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letzte Änderung: 26.06.2014
Leben und Werk des Künstlers
(1924-1999)
> Zeichnungen <
Heinrich
Mutter
Der Zeichner Heinrich Mutter
Angeregt durch seinen künstlerisch begabten älteren Bruder begann Heinrich Mutter schon während seiner Lehre im Malerhandwerk mit dem Zeichnen.
Während des 2. Weltkrieges, und auch in der Gefangenschaft in Italien, half ihm das Zeichnen, wie er später einmal sagte, die schrecklichen Erlebnisse
besser zu verarbeiten. Leider verbrannten die ersten Blätter, die er aufbewahrt hatte, mit einem explodierenden Benzintransport. Frühe Zeichnungen sind
deshalb erst ab 1946 dokumentiert.
Die Bilderwelt von Heinrich Mutter wird wesentlich durch Landschaftserinnerungen angeregt. Vor allem bei seinen Zeichnungen kann man die
künstlerische Entwicklung von den ursprünglich noch an der Landschaft orientierten Bildern über die zunehmende Abstraktion und Ablösung von jeglicher
Darstellungsabsicht nachvollziehen.
In der folgenden Einführung in das Zeichnungs-Archiv werden, angeregt durch die zahlreichen Rezensionen und Texte und dem SWR Interview 1998, zu
jeder Werkphase einleitende Erläuterungen vorangestellt.
1946-1971
Die frühen Arbeiten waren noch vollkommen gegenständlich, zeigten jedoch schon viel von
dem, was wir in späteren Zeichnungen sehen, vor allem den Einsatz der Schraffur den Heinrich
Mutter zum virtuosen Mittel fortentwickelt hat. In den 60er Jahren bis Anfang 70 zeichnete
Mutter am Tuniberg oder auf der felsigen, schluchtenreichen Insel Ischia direkt vor der Natur.
Die Zeichnungen aus dieser Zeit sind geprägt vom starken Interesse einzelner Gesteins- und
Landschaftsformationen.
1972-1979
Die Zeichnungen aus der ersten Hälfte der 70er Jahre sind geprägt von den Impressionen aus
den Schluchten auf Ischia und vor allem aber von den Landschaftserfahrungen auf einer Reise
durch Südfrankreich 1974: "Die Löcher in den Bergen, die riesigen Hallen und die begehbare
Landschaft haben mir die Augen geöffnet " sagte er einmal in dem Interview 1998.
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre verarbeitet Heinrich Mutter die Veränderung der
Landschaften am Tuniberg und Kaiserstuhl in seinen Zeichnungen. "Es hat mich sehr bewegt
wie die Landschaft so rationalisiert und zerschnitten wurde, sagte er, und deshalb habe ich
meine gezeichnete Landschaft auch zerschnitten, ausgefräst und rationalisiert". Auf einigen
Blättern wird diese gezeichnete Landschaftsveränderung durch Einsatz von Farbstiften noch
verstärkt.
Vor allem in den Blättern dieser Werkphase wird sehr deutlich wie Mutter aus der Schraffur
heraus gestaltet. Die Formen der Landschaft sind nicht von vornherein festgelegt, um dann nur
mit der Schraffur ausgefüllt zu werden, sondern ergeben sich während des Zeichenprozesses.
Einführung in das Zeichnungs-Archiv
1981-1985
Zu Beginn der 80er kam eine Wende zu einer romantischeren Raumauffassung. Da gab´s
irgendwo noch einen Horizont aber das darunter war verschwommen. Zunehmend lösen sich
die Landschaftsformen auf. Berge tauchen mit der Heftigkeit von Vulkanausbrüchen aus dem
flachen Land hervor. Man könnte diese neue Phase auch als lyrisch abstrakt bezeichnen. Auf
den Blättern glaubt man Gesteinsstrukturen und Flussläufe zu erkennen oder Nebelspiralen zu
sehen. Vereinzelt wurde mit Buntstiften experimentiert und die ersten größeren Bildformate mit
einer Diagonale von über 150cm entstanden. In einigen Blättern sieht man Gewitter aufziehen,
die nächste dramatische Werkphase kündigt sich an.
1986-1988
Im April 1986 zeigt Heinrich Mutter in einer Ausstellung, dass er sich auf härtere und
schmerzlichere Auseinandersetzungen mit dem Stift und dem Zeichenpapier eingelassen
hatte. Große dramatische Formgewitter entstehen, schwarze Strichwolken regen ab.
Schraffierte Graphitwolken steigern in großen Formaten das Papierweiß zur Lichtwirkung. Man
meint noch das Hämmern des Stiftes auf dem riesigen Zeichenbrett zu hören. Seine Frau sagte
einmal " In diesen Zeichnungen hat er seine Albträume von den Kriegs- und
Nachkriegserlebnissen abgearbeitet." Es wundert nicht, dass in dieser Zeit das große
Bildformat immer größere Ausmaße annahm. Aber wie heftig auch der Eingriff in das Bild war,
das Weiß des Papiergrundes blieb stets erhalten. Es strahlt durch das Grau und Schwarz der
Schraffuren. Drastisch hat er selbst den dramatischen Zeichenvorgang in dieser Phase
beschrieben: " Ich reiße das Schwarze herab, um das Weiße freizulegen.
1989-1992
Schon 1988 kündigte sich in den kleineren Bildformaten eine neue Werkphase an, die in der
Zeit 1989-1992 nach und nach auch in den größeren Formaten zu erkennen ist. Heinrich Mutter
führte nun den Bleistift insgesamt wieder langsamer, behutsamer, zarter und sensibler. Die
Linie, die in früheren Arbeiten kräftige Schraffuren erzeugte, löste sich aus dieser Verflechtung,
wurde selbständig und verdrängte schließlich die Schraffur aus den Bildern. Beim Betrachten
dieser Zeichnungen erinnert man sich an seinen Ausspruch in dem Interview 1998: "Da habe
ich mir gesagt, schau einfach wieder mal ins Gras". Die Grashalme waren also Linien die nun
auf dem Papier wuchsen. Es entstanden wieder Zeichnungen in deren Linienspiel man Umrisse
und Spuren von Naturereignissen erahnen kann.
1993-1999
Nach der Übergangsphase Anfang der 90er Jahre lösen sich die Formen in den Zeichnungen
immer mehr auf, wie auseinanderliegende Wurzeln. Dünne Linien werfen ein graziles Netz über
die Papieroberfläche. Manche Linien schweben oder tauchen auf und bilden einen
nachdenklichen Schweif. Sie verbinden sich zu dunklen Knäueln. Graphitstaub mit dem Finger
aufgetragen erzeugt eine räumliche Komponente. Durch Zufall sei das mit den Graphitflecken
entstanden, sagte er, und hatte versucht damit zu spielen. Von diesen Flecken sind später fette
Linien geblieben und Strukturen mit der Kohle entstanden. Angeregt durch Chinesische
Tuschzeichnungen hat H.Mutter 1994 in wenigen kleinen Formaten auch mit Tusche
experimentiert.